Heilfasten und

„Fasten für Gesunde“

Wo liegt der Unterschied?

Die Unterscheidung

Zyklisches Fasten und Heilfasten, das Fasten zum Heilen von Krankheiten, haben eine lange Geschichte. Viele Völker und Religionen haben Fastentradtionen entwickelt. In Deutschland wurde das Fasten vor allem durch den Arzt Otto Buchinger (1878 – 1966) bekannt gemacht. Er führte in seiner Klinik Heilfasten-Kurse unter ärztlicher Aufsicht und in der Regel mit einem definierten Therapie-Ziel durch. Inzwischen ist das Fasten aber auch bei gesunden Menschen sehr populär geworden. Den Anstoß dafür hat Dr. Hellmut Lützner, der viele Jahre als Arzt in der Buchinger-Klinik am Bodensee tätig war, gegeben. In einer vierteiligen Sendung für den Bayerischen Rundfunk stellte er 1976 einen Fastenplan für Gesunde vor. Zur Begleitung der Sendung erschien sein Buch „Wie neugeboren durch Fasten“, inzwischen ein millionenfach verkaufter Klassiker. Wir wollen herausfinden, wie es dazu kam und besuchen Dr. Hellmut Lützner in seiner Seniorenresidenz in Überlingen.

Besuch bei Hellmut Lützner

Der Fahrstuhl bringt uns in die 8. Etage des Augustinums in Überlingen am Bodensee. Die Fahrstuhltür öffnet sich und er steht vor uns: Entspannt an die Wand gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, ein strahlendes Lachen im Gesicht: Dr. Hellmut Lützner, mittlerweile 90 Jahre alt, Begründer des selbstständigen Fastens in der Tradition des Heilfastens nach Dr. Otto Buchinger, heißt uns willkommen.

Wir haben uns an diesem verregneten Tag im Dezember 2018 mit ihm verabredet, um aus seinem Munde die Entstehungsgeschichte der Methode des Fastens für Gesunde zu hören. Nach einem sehr herzlichen Empfang und dem Austausch verschiedener privater und persönlicher Neuigkeiten kommen wir sehr schnell auf das spannende und in den letzten Jahren immer mehr in den Focus rückende Thema Fasten zu sprechen.

Dr. Lützner, 1928 geboren, erzählt uns, dass er schon sehr früh mit dem Fasten in Berührung kam: seine Eltern fuhren regelmäßig in den Jungborn (eine Naturheilstätte im Harz) und kamen von dort immer sehr gut gelaunt, erholt und voller Tatendrang zurück. Das Thema begleitete ihn weiterhin auf seinem Weg als Student der Medizin, als Assistenzart in Dresden und Berlin. Er wurde  dort als Facharzt für Naturheilverfahren (Physiotherapie) ausgebildet. Mit dieser Ausbildung bewarb er sich als Fastenarzt an der Buchinger Klinik in Überlingen und war dort 12 Jahre tätig. 1975 übernahm er die Kurparkklinik in Überlingen, eine Fachklinik für Stoffwechselkranke, die, im Gegensatz zu Buchingers Privatklinik auch  Sozialversicherte behandelte.

Hellmut Lützner erzählt, und das tut er mit einem verschmitztem Lächeln im Gesicht, dass ihm bei Eröffnung der Klinik von der zuständigen Betreibergesellschaft gesagt wurde: „Sie dürfen hier alle Naturheilverfahren anwenden, die zur Gesundung der Patienten dienen – außer Fasten.“ Offensichtlich gab es große Bedenken, dass diese neue Kurklinik gut angenommen würde und daher wollte man von vornherein auf „abstoßende“ Therapien verzichten.

Aufgrund von ausdrücklichen Patientenwünschen wurde das Fasten dann aber doch in der Kurparkklinik als Therapie angewendet und bei Hellmut Lützner reifte der Gedanke, diese seit mehreren Jahrzehnten erprobte Fastenmethode auch für den außerklinischen Bereich zu erschließen. Er schreibt den bis heute unbestritten besten ärztlichen Fastenführer mit dem Titel „Wie neugeboren durch Fasten“ (Auflage inzwischen in 18 Sprachen: 2,5 Millionen), ermöglicht damit den Lesern, das selbstständige Fasten kennenzulernen und beginnt so mit dem Umsetzen einer Idee, die 40 Jahre vor ihm schon Dr. Otto Buchinger, hatte.

Otto Buchinger und das Heilfasten

Dr. Otto Buchinger (1878-1966) war durch eigenes schweres Leiden zum Fasten gekommen.

Er arbeitet als Arzt in der Marine, als er – gegen Ende des Krieges – nach einer lakunären Mandelentzündung an einem gefährlichen akuten Gelenkrheumatismus erkrankte, der in eine chronische Form überging mit Muskelschwund, vergrößerter Leber und einer immer wieder kehrenden Gallenblasenentzündung. (vgl.: Dr. Otto Buchinger, Das Heilfasten und seine Hilfsmethoden als biologischer Weg) Er vertraute in dieser für ihn sehr ausweglosen Situation – die Prognose der Ärztekollegen war vernichtend – auf den Rat eines befreundeten Offiziers aus der Marine, und absolvierte ein strenges Dreiwochenfasten in Freiburg bei Gustav Riedlin.

Dazu schreibt Buchinger: „Eine gewaltige Umstellung trat ein. Die Glieder wurden frei. Aber die Gallenanfälle hörten immer noch nicht auf. Eine zweite Fastenkur von vier Wochen, in Dresden, bei Siefgried Möller, hatte den Erfolg, dass nach einer …. heftigen Gallenkolik die alten Leberbeschwerden für immer aufhörten. Seitdem bin ich stets gesund und arbeitsfähig geblieben. Aber jedes zweite Jahr faste ich ´meine` zwei bis drei Wochen.“

(vgl.: Dr. Otto Buchinger, Das Heilfasten und seine Hilfsmethoden als biologischer Weg)

Durch diese für ihn lebensverändernde Erfahrung beschäftigt sich Buchinger fortan mit der Erforschung und Weiterentwicklung des Heilfastens. 1920 gründet er das „Kurheim Dr. Otto Buchinger“ in Witzenhausen, 15 Jahre später zieht die Fastenklinik in den Kurort Bad Pyrmont um. Bei seinen Patienten wendet er das Heilfasten an und baut die Methode dann nach seiner Weise aus. Diese beschreibt er in seinem 1935 erschienen Buch „Das Heilfasten und seine Hilfsmethoden als biologischer Weg“.

Was ist nun eigentlich dieses Heilfasten nach Dr. Otto Buchinger?

Zunächst einmal ist es der bewusste und freiwillige Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel für eine bestimmte Zeit. Es ist sozusagen eine Ernährung von innen. Es reinigt und regeneriert. Heilfasten bedeutet immer eine Fastentherapie, also eine medizinische Methode im Rahmen der klassischen Naturheilverfahren, die in einer (Fasten-)Klinik als eine bestimmte Art der Behandlung von Erkrankten angewendet wird. Sie steht immer unter der Verantwortung eines Arztes, setzt Fachausbildung voraus und bedarf der aktiven Mitarbeit des Patienten. Das Heilfasten kann eine Dauer von einer bis zu vier oder mehr Wochen umfassen – auch das gilt nur im Rahmen des klinischen Fastens.

Dr. Buchinger hat aber bereits in seinem oben erwähnten Buch geschrieben:

„Auch der sogenannte Gesunde soll fasten. Sein jährliches, ehrliches Fasten soll ihn vor Krankheit und Siechtum bewahren.“

Durch seine vielfältigen beruflichen Verpflichtungen konnte er dieser Idee, die Methode des Heilfastens außerhalb des klinischen Bereiches für „sogenannte Gesunde“ zu etablieren, nicht nachkommen.

Hellmut Lützner und das Fasten für Gesunde

Die Bücher „Wie neugeboren durch Fasten“ und „Richtig Essen nach dem Fasten“ von Hellmut Lützner sind in vielen Auflagen und Sprachen erschienen.

1975 kommt eine Anfrage vom Bayrischen Rundfunk an die Klinik: 4 Sendungen der Reihe „Die Sprechstunde“ sollen sich mit dem Thema Fasten beschäftigen. Gesucht wird ein Fasten-Arzt als Experte. Dr. Lützner, der in dieser Zeit Leitender Arzt der Kurpark-Klinik Überlingen ist, sagt zu – unter einer Bedingung: er will einen Ratgeber verfassen, der die Fastenmethode detailgenau darstellt, damit beim Fasten für Gesunde keine Fehler gemacht werden. So entsteht innerhalb weniger Wochen der inzwischen millionenfach verkaufte Bestseller „Wie neugeboren durch Fasten“. Damit ist ein Ratgeber und Leitfaden geschrieben für all jene, die außerhalb einer Klinik selbstständig fasten möchten. Beim Schreiben des Buches helfen ihm seine Erfahrungen aus beiden Kliniken. In der Buchinger-Klinik gab es eine eher elitäre Patientenschaft während er in der Kurparkklinik kennenlernt, wie der „normale“ Kassenpatient über das Fasten spricht. Die Startauflage des Buches war nach der ersten Sendung bereits vergriffen, so dass der Verlag in sehr kurzer Zeit weitere Auflagen produzieren musste.

Unterschiede von Heilfasten und Fasten für Gesunde

Die Methode, die im Fasten für Gesunde angewendet wird, ist also im Wesentlichen abgeleitet aus der Methode des Heilfastens nach Dr. Otto Buchinger, beinhaltet aber dennoch ein paar wesentliche Abgrenzungen: So ist das Fasten für Gesunde begrenzt auf einen Zeitraum von 5-10 Tagen und wird in eigener Verantwortung, also OHNE ärztliche Betreuung, durchgeführt.

Die Ärztegesellschaft für Heilfasten und Ernährung (ÄGHE) hat in ihren „Leitlinien zur Fastentherapie“ zum Begriff des „Fastens für Gesunde“ folgendes vermerkt:

„Gesund ist, wer sich wohl fühlt, voll funktionstüchtig ist und keine Medikamente braucht. Er/sie muss seelisch-geistig stabil und entscheidungsfähig sein. Essstörungen und Abhängigkeiten (z. B. Alkohol, Drogen) sind Kontraindikationen.

Der Begriff «Fasten für Gesunde» beschreibt:

  • ein Kurzzeitfasten
  • in Eigenverantwortung
  • zur Gesundheitsförderung
  • als Form der Erwachsenenbildung“

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Und weiterhin ist in den Leitlinien der ÄGHE zu lesen:

„Charakteristisch für ein Fasten für Gesunde ist, dass es entweder zu Hause – auch berufsbegleitend – in einer Einrichtung der Erwachsenenbildung durchgeführt werden kann oder in Ferienorten….. Es wird entweder allein durchgeführt oder in einer Gruppe, dann meist unter Führung einer ausgebildeten FastenleiterIn. In jedem Fall wird in eigener Verantwortung gefastet. …….. Für die erste Fastenerfahrung hat sich die Fastenwoche (8 Tage: 1 Entlastungstag, 5 Fastentage und 2 Aufbautage) unter fachlicher Leitung bewährt, am besten in einer geführten Gruppe.“

Die Fastenverpflegung (Wasser / Tee sowie Gemüsebrühen und Obst-/Gemüsesaft) sowie bestimmte fastenbegleitende Maßnahmen sind im Fasten für Gesunde analog denen im Heilfasten. Zu nennen sind hier vor allem das Trockenbürsten und Ölen der Haut, der Leberwickel, der Einlauf sowie verschiedene Kneipp`sche Anwendungen. Außerdem sind ein ausgewogenes Maß an körperlicher Bewegung sowie ausreichend Ruhe und Entspannung Grundvoraussetzungen für eine gelingende Fastenzeit.

Dr. Lützner hierzu:

„FASTEN KANN MAN NUR BEGREIFEN, WENN MAN ES SELBST ERLEBT HAT.“

Diesem kann ich mich nur ausdrücklich anschließen und mit einer eigenen Bemerkung ergänzen:

Jede Fastenzeit ist anders, keine Fastenerfahrung lässt sich mit einer anderen, vorangegangenen Erfahrung vergleichen. Und doch wohnt jeder Fastenzeit ein ganz eigener Zauber inne, der uns verändert, voran oder auf andere Wege bringt – und damit in jedem Fall eine Bereicherung ist.

Auch, wenn wir das manchmal erst viel später spüren.